05Januar
2016

I had a brother named Steve

Ich habe diesen Blog vor ca. 5 Wochen begonnen und nun schon über 800 Leser. Das zeigt mir nicht nur, dass es Zeit wird meine Grammatik zu verbessern, sondern auch, dass das, was ich erzähle in irgendeiner Form tatsächlich ankommt. Ich bin froh die Gelegenheit zu haben das, was ich zu sagen habe, auf diese Weise sagen zu können. Deshalb werde ich diese Chance heute mal nutzen, um etwas zu sagen, was sich hier in Australien nicht viele zu sagen trauen. Es ist ein Tabu-Thema, welches keines sein sollte. Kaum einer spricht darüber. Und genau das werde ich heute ändern.

Dies wird ein Beitrag werden, welcher sich von meinem üblichen, unsinnigen Beiträgen nach Bosse Humor abheben wird. Der Grund dafür ist, dass mir dieses Thema hier als ein sehr heikles Thema präsentiert wurde und es mir sehr am Herzen liegt euch daran teilhaben zu lassen, zumal mich dieses Thema auch persönlich sehr interessiert und ich nicht gedacht hätte, es in dieser Form hier in Australien erleben zu müssen. Es ist für mich ein Thema, welches es nicht geben sollte. Ein Thema, welches für mich als Kind nicht existierte, denn als Kind war es mir egal woher jemand kam, oder ob seine Religion oder seine Hautfarbe anders war als meine. Arm oder reich, weiß oder schwarz, Moslem oder Christ, wir sind alle Menschen und jeder hat Rechte und jeder hat das Recht von anderen fair behandelt zu werden. Als Kinder sehen wir diese Dinge nicht. Wenn jemand nett zu uns ist, sind wir nett zu denen. Wenn jemand uns ärgert, ärgern wir zurück. Es passiert nur mit der Zeit, dass uns beigebracht wird was es heißt einen Menschen zu verachten, ihn zu hassen, weil er in irgendeiner Art anders ist. Uns wird erklärt, dass es mir vor 70 Jahren nicht möglich gewesen wäre einen Freund namens Samet oder Jawad zu haben. Uns wird gezeigt, dass es Menschen gibt, die Anderen wehtun nur weil diese in irgendeiner Art anders sind. Uns wird gezeigt, dass es Menschen gibt, die töten. Uns wird gezeigt was Rassismus ist.

Ich lernte was unsere Vorfahren taten und was damals geschah. Ich lernte aus Mahnmälern nicht aus Denkmälern. Ich lernte, dass das, was passiert ist, sich nie wiederholen darf. Nur weil ich das Glück hatte zufällig zur richtigen Zeit im richtigen Land geboren zu werden, musste ich nicht lernen was es heißt derjenige zu sein, der diskriminiert wird. Das sind Dinge die ich nicht beeinflussen kann. Viele wissen dieses Glück nicht zu schätzen, betrachten es als selbstverständlich. Doch das ist es nicht. Rassismus ist keineswegs lediglich ein Thema der Geschichte. Es ist aktuell und wird immer aktuell bleiben.

Australien ist definitiv eines der rassistischsten Länder der Welt und dies wird, wie ich finde ziemlich erfolgreich vertuscht. Der Rassismus in Australien geht zum einen gegen die vielen Einwanderer aus Südasien und zum anderen, bzw. zum Großteil, gegen die Aborigines. Australiens Historie besteht im wesentlichen daraus, dass nach der Entdeckung durch James Cook britische Siedler nach Australien gekommen sind, die Einheimischen ermordet und ihr Land genommen haben. Um dies wieder gut zu machen, werden Ausgleichszahlungen an die Aborigines gezahlt, ähnlich wie der Solidaritätszuschlag. Rassismus entscheidet den Wahlkampf, welcher Politiker tut am meisten um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Den Aborigines wird Land versprochen, sie erhalten es sogar. Klingt alles gut in der Wahlkammpange. In der Realität jedoch gehört dieses Land trotzdem auf dem Papier noch dem Staat und die Aborigines erhalten kein Nutzungsrecht. Und da, besonders im Norden, niemand einen Aborigine als Arbeiter einstellt, leben diese meist allein vom Arbeitslosengeld und den anderen staatlichen Zuschlägen. Die Mehrheit dieser betreiben, abgelegen von den Städten, Farmarbeit um sich über Wasser zu halten. Sie leben zurückgezogen von dem Rest der weißen Gesellschaft unter sich. Eine Minderheit bleibt in den Städten und versucht sich auf der Straße durchzuschlagen und lebt, man muss es einfach so sagen, in menschenunwürdigen Verhältnissen. Sie sind betrunken 24/7 verhalten sich unmöglich und zeigen keinerlei Respekt, sie selbst erhalten ja immerhin auch keinen. Durch diese Minderheit wird natürlich das allgemeine Bild stark negativ beeinflusst und auch die allgemeine Konnotation von ‚Aborigine‘ immer negativer.

Das liegt daran, dass es für uns einfacher ist Andere in gewisse Schubladen zu stecken anstatt sich selbst ein Bild zu machen. Es ist einfacher jemanden Fremden als ‘nicht einer von uns‘ zu klassifizieren. Auf diese Weise distanzieren wir uns von allem, was uns anders und fremd erscheint. Und was den Menschen fremd ist, fürchten sie. Doch Menschen können nicht stetig in Furcht leben und so verwandelt sich ihre Furcht in Hass und alles was die Menschen hassen, wollen sie vernichten. Es ist ein Gedanke der leider weit verbreitet ist. Rassistische Organe ziehen daraus ihre Kraft und dies natürlich auch zu Hause in Europa (Front National, PEGIDA).

Mein Sylvester Abend hat damit geendet, dass ich mit zwei Freunden am Strand den Sonnenaufgang angeschaut habe. Dabei haben wir auch einen Aborigine getroffen, der uns seine Situation genauer geschildert hat. Alles, die Art wie er lebt, spricht, denkt, isst, trinkt, lacht, sich bewegt, ist anders. Anders als ich. Er ist anders. Punkt. Und trotzdem ist er ein Mensch wie ich und hat die selben Rechte wie ich und hat den selben Respekt und den selben Platz in der Gesellschaft und die selben Chancen im Leben verdient wie ich. Denn er ist ein Mensch, genau wie ich. Und davon gibt es 7 Milliarden auf der Welt. Und jeder von ihnen ist anders und trotzdem ist jeder von ihnen wie ich. Der Mann, den ich bei diesem ersten Sonnenaufgang 2016 kenngelernt und der sich mir als Kon vorgestellt hat, hat genau das erkannt. Aborigines werden traditionell erzogen, sehr verbunden zu ihren Mitmenschen und besonders der Natur. Für Kon ist die ganze Menschheit eine große Familie. Für Rassisten stammen wir wohl alle von gelben, weißen und schwarzen Affen ab.

Die Aborigines haben eine Redensart, eine Begrüßung, die leicht falsch verstanden werden kann: Als ich Kon begrüßte, ihm mit Respekt begegnete, ihn fragte ob ich mich zu ihm setzten darf, reichte er mir die Hand. Ich sagte mein Name sei Steve (Ich hab am 1. Tag in Australien aufgegeben den Leuten beizubringen wie man Steffen richtig ausspricht). Er schüttelte meine Hand und sagte er habe einen Bruder namens Steve.

Ich habe eine Sekunde gebraucht um zu realisieren, dass er mich meinte. Als meine Freunde ihm die Hand reichten (beide heißen Matt) hatte Kon 2 Brüder namens Matt. Es war eine unglaublich interessante Unterhaltung. Kon war sichtbar froh, dass 3 Fremde ihm Aufmerksamkeit schenken. Er genoss es sich mit uns zu Unterhalten, er erzählte mir, wie die Leute ihm normalerweise begegnen. Er ist 39, doch das Leben hat seine Spuren und ihn scheinbar 20 Jahre älter hinterlassen. Er erzählte mir seine ganze Lebensgeschichte. Ich weiß nicht ob alles was er erzählte wirklich war ist, doch wenn auch nur 10 Prozent wirklich passiert sind, möchte ich nicht mit ihm tauschen. Ein Mensch der so viele Rückschläge in seinem Leben erlebt hat, ist mir selten begegnet. Doch Kon erzählte mir hoffnungsvoll, wie er dies in 2016 ändern will. Ich hoffe er schafft es, ich denke ich weiß, dass er es nicht wird. Aber ich weiß auch, dass dieser Mann glücklich sein wird. Als es anfing leicht zu regnen mahnte er uns in seiner Aborigine Art den Regen zu schätzen. Er kreiere Leben, genau wie die Sonne und werde trotzdem negativer gesehen. Einige verschwenden ihr ganzes Leben um auf die Sonne zu warten ohne den Regen schätzen zu lernen. Ein Satzt den der britische Matt leise heraus nuschelte wird mir immer im Gedächtnis bleiben: Sometimes the rain seems as far away as the sun.

Ich hoffe, dass ihr etwas in diesem Beitrag findet, was ihr so nachvollziehn könnt und wenn es nur das Wissen ist, dass Rassismus längst nicht immer offensichtlich ist. Medien haben die Kontrolle dieses ernste Thema gut zu vertuschen und Minderheiten sind niemals auschlaggebend für die Allgemeinheit. Dies ist mein Bild, welches ich mir selbst gebildet habe, meine eigene Meinung. Ich bitte euch das gleiche zu tun. Es ist einfacher die Meinung eines anderen zu kopieren, als sich selbst eine eigene zu bilden. Doch der einfachere Weg ist definitiv nicht immer der beste und Rassismus ist keine Meinung, es ist ein Verbrechen.